Fast alle Menschen erleben mehr oder weniger oft Diskriminierung und/oder handeln selbst diskriminierend und gewaltvoll. Unsere Gesellschaft ist stark von Machtdynamiken geprägt, sodass die Abwertung aufgrund von (zugeschriebenen) Merkmalen für viele keine Seltenheit ist. Es kann deutlich erkennbar sein, dass Benachteiligung wegen (vermeintlicher) Gruppenzugehörigkeit passiert. Sie kann auch unbewusst oder im Verborgenen stattfinden und nicht als Diskriminierung erkannt werden.
Diskriminierung hat viele unterschiedliche Gesichter. Übergriffe zeigen sich in Form von verbaler, körperlicher und psychischer Gewalt, wie zum Beispiel gemeinen Sprüchen, Beleidigungen, Belästigungen und Drohungen. Manchmal ist sie für Außenstehende kaum wahrnehmbar. Es können irritierende Blicke sein oder ein diffuses Gefühl, dass bestimmte Personengruppen ausgeschlossen wurden oder nur eingeschränkten Zugang zu einem Ort oder bestimmten Ressourcen haben.
Verschiedene Diskriminierungsformen werden im Glossar beschrieben.
Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen Diskriminierung passiert. Diese hängen zusammen und beeinflussen sich. Diskriminierung findet auf der individuellen Ebene, wie zum Beispiel zwischen Gast und Barmensch, Künstler*innen und der veranstaltenden Crew oder zwei Besucher*innen statt. Die gesellschaftliche/kulturelle Ebene zeigt sich unter anderem in der Diversität einer Redner*innenliste oder eines Line-ups. Warum sind BIPoC und/oder nicht-cis-männliche DJs seltener zu finden? Die strukturelle/institutionelle Ebene beschreibt Diskriminierung, die in Regeln oder Gesetzen manifestiert ist, zum Beispiel wenn eine Notfallambulanz grundsätzlich verpflichtet ist, Menschen ohne Papiere der Ausländerbehörde zu melden.
Die Folgen von Diskriminierung sind direkt spürbar. Betroffene Personen reagieren auf Situationen innerlich und äußerlich sehr unterschiedlich. Häufig bleibt ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit bestehen. Menschen können sich ausgeschlossen oder isoliert fühlen. Eventuell entsteht Wut, Aggression, Trauer, Enttäuschung oder Zynismus. Es kann zu körperlichen oder verbalen Auseinandersetzungen kommen. Bestehende Traumatisierungen können getriggert werden. Wenn die Situation und involvierte Emotionen nicht aufgefangen werden, können neue Traumata entstehen. Awareness versucht Aufklärung und Verständnis für verschiedene Lebensrealitäten zu schaffen, Machtungleichheiten auszugleichen, Betroffene zu schützen und (Re-)Traumatisierung vorzubeugen.
Intersektionalität
Die US-amerikanische Juristin und Aktivistin Kimberlé Crenshaw beschrieb 1989 die spezifischen Unterdrückungserfahrungen schwarzer Frauen in den USA. Die Identifizierung und Bekämpfung von sexistischer und rassistischer Diskriminierung ist ihrer Ansicht nach unmöglich, solange wir eine eindimensionale Brille verwenden und jede Diskriminierungsform getrennt betrachten.
Sie prägte den Begriff der Intersektionalität, um die Wechselwirkungen und Überschneidungen von Diskriminierungsformen zu beschreiben. Sie veranschaulichte dies mit dem Bild einer Straßenkreuzung, auf der ein reges Treiben aus vielen unterschiedlichen Straßen herrscht. Regelmäßig passieren auf dieser Kreuzung Unfälle, bei denen die Autos aus einer einzelnen oder aus verschiedenen Richtungen kommen.
Wir können die Unfälle (Diskriminierung) nur dann wirkungsvoll verhindern, wenn wir einen guten Überblick darüber haben, welche Straßen (Diskriminierungsformen) auf die Kreuzung führen. Falsche Analysen können fatale Folgen haben. Es ist wichtig zu prüfen, ob durch präventive Maßnahmen gegen eine Diskriminierungsform neue Ausschlüsse geschaffen werden.
Bei mehreren Unfallbeteiligten aus unterschiedlichen Straßen kann der Unfall oft nicht auf den ersten Blick rekonstruiert werden. Es kann sein, dass es eine Situation mit wechselnden Rollen der diskriminierenden/gewaltausübenden und betroffenen Person gibt. Eventuell erzählt eine Person von ihren Diskriminierungserfahrungen und äußert sich dabei ableistisch, rassistisch oder homofeindlich. Andersherum kann eine diskriminierende/gewaltausübende Person gleichzeitig selbst an anderer Stelle Betroffene sein.
Die individuellen Verletzungen hängen davon ab, wo sich die Person auf der Kreuzung befindet. Eine Situation auf dem Wimmelbild zeigt, wie sich sexistische und rassistische Denkweisen miteinander verschränken können. Nehmen wir an, die Person ist eine Woman of Color. Die Frage nach der Meinung der Eltern und Brüder der Frau* unterstellt, dass durch ihr Aussehen darauf geschlossen werden könne, dass sie erstens aus einem bestimmten Kulturkreis komme und zweitens, dieser Kulturkreis eine bestimmte patriarchale Prägung habe und drittens, sie daher als Frau* nicht selbstbestimmt sein könne und ihre Entscheidungen von ihrer Familie abhängen.
Um Diskriminierung im Veranstaltungskontext wirksam begegnen zu können, müssen wir verschiedene gesellschaftliche Machtachsen und ihre verschränkten Wirkungsweisen kennen.